Verso-Preis
v·e·r·so verleiht jährlich den Preis für die beste Bachelorarbeit und die beste Masterarbeit am Sozialwissenschaftlichen Institut. Die Preise werden während der Examensfeier der Philosophischen Fakultät überreicht und sind jeweils mit 500€ dotiert.
Nominiert werden können Arbeiten, die mit mindestens 1,3 benotet wurden. Vorschlagsberechtigt sind die Gutachterinnen und Gutachter. Eine Jury, die sich aus dem v·e·r·so-Vorstand und einem von der Mitgliederversammlung gewählten externen Mitglied zusammensetzt, vergibt schließlich den Preis.
Die bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger:
2009
an Jan-Erik Wiederholz für seine Bachelorarbeit zum Thema: „Nationalismus in Deutschland und Polen im Vergleich“
Jan-Erik Wiederholz beschäftigt sich mit der Frage, welche Faktoren nationalistische Haltungen in Deutschland und Polen begünstigen. Zu ihrer Klärung führt er eine elaborierte Sekundäranalyse von Daten aus dem International Social Survey Programme durch. Zunächst gelingt es Jan-Erik Wiederholz, den gemeinhin diffus verwendeten Nationalismus-Begriff empirisch zu präzisieren; er kann zeigen, dass Patriotismus nicht die „gute Version“ von Nationalismus darstellt, sondern letzteren vielmehr – zusammen mit Traditionalismus und Fremdenfeindlichkeit – ausmacht. Weiterhin geht Jan-Erik Wiederholz der Vermutung nach, wonach unterschiedliche sozio-historische Erfahrungen zu unterschiedlichen Quellen und Spielarten des Nationalismus führen. Tatsächlich lässt sich nachweisen, dass Nationalismus in Polen stärker religiös beeinflusst wird, während in Deutschland eher politische Einstellungen ins Gewicht fallen. Länderübergreifend sind es jedoch vor allem sozioökonomische Faktoren, die mit nationalistischen Haltungen korrelieren. Gleichzeitig zeigt die Analyse, dass die Idee, Nationalismus auf einige wenige Merkmale zurückzuführen, zu kurz greift: Offenbar handelt es ich um ein hochkomplexes Problem, dem entsprechend differenziert begegnet werden muss. Zusammengefasst hat Jan-Erik Wiederholz eine hervorragende wissenschaftliche Leistung erbracht, die einen ernstzunehmenden Beitrag zum Verständnis der sozialen Wirklichkeit leistet.
2008
an Sarah-Katharina Westphal für ihre Bachelorarbeit zum Thema: "Soziale Netzwerke von Männern und Frauen im Vergleich"
Frau Westphal untersucht soziale Netzwerke, d.h. die persönlichen Beziehungen, die ein Individuum zu anderen Personen unterhält. Dabei betont sie, dass soziale Netzwerke umso mehr zum „sozialen Kapital“ eines Individuums beitragen, je größer und vielfältiger sie sind. Anhand einer anspruchsvollen und mit großer Sorgfalt durchgeführten multivariaten Analyse von Daten des US-amerikanischen General Social Survey aus den Jahren 1985 und 2004 kann Frau Westphal zeigen, dass die sozialen Netzwerke von Männern und Frauen sich nach wie vor unterscheiden, wobei geschlechtsspezifischen Unterschiede mit strukturellen Faktoren wie Familienstand und Kindererziehung, Alter, Bildungsgrad und Berufstätigkeit zusammenhängen. Ihre Analyse ergibt auch, dass sich diese Unterschiede zwischen 1984 und 2004 verringert haben, die Netzwerke sowohl bei Männern als auch bei Frauen kleiner geworden sind und sie sich mehr auf verwandte Personen konzentrieren. Die Jury war der Ansicht, dass es sich um eine methodisch ungewöhnlich anspruchsvolle und gelungene, inhaltlich überzeugende und auch formal äußerst sorgfältig ausgeführte Bachelorarbeit handelt.
2007
an Christian Achrainer für seine Bachelorarbeit mit dem Titel „Handelt es sich beim Darfur-Konflikt um Genozid? Vergleich der Positionen der US-Regierung und des UN-Sicherheitsrats“
Herr Achrainer setzt sich anlässlich der Gräueltaten an der Zivilbevölkerung im seit 2003 geführten Darfur-Konflikt mit einer höchst brisanten Frage auseinander, nämlich ob es sich dabei um einen Genozid handelt. Eine Bejahung dieser Frage würde, wie der Verfasser völlig zu recht betont, schwerwiegende Folgen nach sich ziehen, bis hin zu einem militärischen Eingreifen der internationalen Staatengemeinschaft. In seiner Arbeit analysiert Herr Achrainer systematisch die beiden zentralen Untersuchungsberichte zum Darfur-Konflikt, die von der US-Regierung bzw. einer Expertenkommission des UN-Sicherheitsrats erarbeitet wurden. Er kommt zum Schluss, dass der Genozidvorwurf der US-Regierung, der möglicherweise durch Macht- und Wahlkampfkalküle motiviert war, ohne ausreichende Belege für eine genozidale Intention vorgebracht wurde und durch ausführliche Untersuchungen der UN- Expertenkommission nicht bestätigt werden konnte. Die Preisjury würdigte bei ihrer Entscheidung für die Preisvergabe an Herrn Achrainer die vorbildliche Konzeption und Ausführung der Arbeit, die kompetente und präzise Argumentation, die exzellente Literatur- und Quellenrecherche und nicht zuletzt die Wahl eines höchst relevanten Themas.
2006
zu gleichen Teilen an Benedikt Giesbers und Herrn Matthias Ruschke für ihre Gemeinschaftsarbeit „Armut bei Familien und Kindern. Analysen mit dem ALLBUS“.
Die beiden Verfasser fragen in ihrer Arbeit nach dem Ausmaß der Familien- und Kinderarmut in Deutschland. Anknüpfungspunkt ist die wissenschaftliche Kontroverse darüber, inwieweit es sich bei der in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern relativ hoch ausfallenden Kinderarmut um ein methodisches Artefakt handelt. Vor diesem Hintergrund überprüfen die beiden Verfasser nicht nur unterschiedliche Armutskonzepte in der Fachliteratur und in offiziellen Berichten, sondern werten auch selbst die Daten der allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) von 2004 aus. Damit können sie die Befunde aus dem Armutsbericht der Bundesregierung von 2003 bestätigen und als Armuts-Risikogruppen (1) Arbeitslose, (2) Alleinerziehende und (3) Haushalte mit mehr als drei Kindern identifizieren. Die Preisjury würdigte, dass in der gemeinsam angefertigten Arbeit die analytischen Probleme der empirischen Armutsforschung auf einem beachtlichen wissenschaftlichen Niveau klar und umfassend dargestellt werden. Besonders beeindruckt zeigte sich die Jury von den sorgfältig dokumentierten und überzeugend diskutierten empirischen Analysen mit den Allbus-Daten.
2005
zu gleichen Teilen an Annabelle Lach und Witold Mucha
Annabelle Lach: "Parlamente und Ministerialbürokratien in den neuen EU-Mitgliedstaaten. Ressourcen der parlamentarischen Kontrolle und Mitsteuerung"
Frau Lach widmet sich in ihrer Arbeit zentralen Thesen der Parlamentsforschung, die in der jüngeren Vergangenheit fast unisono die Deparlamentarisierung der europäischen Demokratien betonte. Frau Lach bezieht sich bei ihrer Bachelorarbeit auf eine einschlägige quantitativ angelegten Studie, in der das Verhältnis von Exekutiven und Parlamenten in westeuropäischen politischen Systemen untersucht wurde. Um die dort mit Regressionsanalysen überprüften Hypothesen auf einige der mittelosteuropäischen Beitrittsländer anwenden zu können, modifiziert sie diese für den Kontext von Transformationsstaaten. Sie kommt zum Ergebnis, dass die in der Ausgangsstudie hergestellten Zusammenhänge zwischen den parlamentarischen Ressourcen und der Menge an Gesetzen für die mittelosteuropäischen Länder nicht tragen. Insofern sei die abhängige Variable zu verändern, indem nicht nach der Menge der Gesetze zu fragen sei, sondern danach, auf wessen Initiative erfolgreiche Gesetze zurückzuführen seien. Die Jury war beeindruckt vom fachlichen Niveau dieser Arbeit, von der sehr aufwändigen Informationsrecherche und von der gekonnten Anwendung komplexer Analysemethoden.
Witold Mucha:"Die Reaktion der EU auf die bilateralen Immunitätsabkommen der USA zum Internationalen Strafgerichtshof"
Herr Mucha untersucht in seiner Bachelorarbeit den Konflikt zwischen der Europäischen Union und den USA über die Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs zur Bestrafung der Verantwortlichen für schwerste Menschenrechtsverletzungen. Während die EU den Strafgerichtshofs durchsetzen konnte, lehnen ihn die USA aus Rücksicht auf ihre Soldaten nicht nur strikt ab, sondern versuchen darüber hinaus, durch bilaterale Immunitätsabkommen mit einzelnen Staaten zu verhindern, dass diese US-Bürger an den Strafgerichtshof ausliefern. Herr Mucha kann überzeugend belegen, dass die EU sich in diesem Punkt geschlossen gegen die USA wehrte und auch die Beitrittkandidaten von derartigen Abkommen abbringen konnte. Die Jury würdigt die ungewöhnlich breite Informationsrecherche dieser Arbeit, wobei zu berücksichtigen ist, dass zu der Themenstellung bislang praktisch keine Fachliteratur verfügbar ist. Außerdem hat die Jury die sorgfältige methodische Reflexion des Verfassers beeindruckt.
Masterpreis
2008/09
an Anne Gödde für ihre Arbeit mit dem Titel: "Wie gehen Europäische Kommission und Europäisches Parlament mit Lobbyismus um?".
Frau Gödde befasst sich in ihrer Masterarbeit mit der Öffnung der EU-Entscheidungsprozesse für Interessengruppen, die die Kommission und das Europäische Parlament unter dem Stichwort der „partizipativen Demokratie“ betreiben. Sie prüft in ihrer Arbeit zunächst, ob die europäischen Institutionen im Umgang mit Lobbyismus die „partizipative Demokratie“ eher instrumentell- interessenorientiert oder eher deliberativ-normativ verstehen. In einer Fallstudie zur Beschlussfassung über die europäische Chemikalienrichtlinie REACH analysiert sie, wie sich dieses Grundverständnis in der Praxis niederschlägt. Am Ende stellt Frau Gödde zwar eine Verbesserung bei der demokratischen Partizipation in der EU fest, bemängelt aber, dass dabei der instrumentelle Ansatz eindeutig vorherrscht und daher die Öffnung der EU für den gesellschaftlichen Pluralismus den selbst gesetzten Standards einer „partizipativen Demokratie“ nicht genüge. Die Jury zeigt sich beeindruckt von der klaren, stringenten, differenzierten und stets gut fundierte Argumentation der Arbeit. Sie würdigt die überzeugende Rezeption der Fachliteratur, die fundierte Materialbasis sowie die sorgfältige formale Ausarbeitung.
2007/08
an Matthias Stern für seine Arbeit mit dem Titel: "Erfolgskritische Faktoren im publizistischen Konflikt. Kommunikationsmanagement im Spannungsfeld von Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Medien".
Matthias Stern trägt in seiner Masterarbeit die bislang vorliegenden interdisziplinären Theorieansätze zu publizistischen Konflikten zusammen und integriert sie in einem eigenen Modell. Er demonstriert den analytischen Nutzen seines Modells anhand einer Fallstudie zur Mediendebatte um die Rolle von Private-Equity-Firmen, die von Franz Müntefering mit seinem „Heuschrecken“- Vergleich angestoßen wurde. Anhand einer Trefferliste von Artikelnachweisen zeichnet Herr Stern den Debattenverlauf nach, gibt eine Übersicht über Akteure und Positionen und arbeitet die argumentativen "Basisframes" heraus, die den Verlauf der Debatte wesentlich geprägt haben. Daraus kann er „erfolgskritische Faktoren des publizistischen Konflikts“ ableiten, wobei besonders die Ausführungen zu Framingstrategien interessant sind. Insgesamt zeigt sich die Jury beeindruckt von der Art, wie Herr Stern in seiner Masterarbeit im souveränen Umgang mit einem breiten Theoriewissen Konzepte für eine anwendungsorientierte Analyse öffentlicher Kommunikationsprozesse entwickelt.
2006/07
an Christian Wolf: "Der mediatisierte Wähler. Eine Metastudie über Medieneinflüsse auf Wahlverhalten“
Herr Wolf fragt in seiner Master-Arbeit, wie groß der Einfluss der Medien auf die Meinungsbildung und die Wirklichkeitswahrnehmung der Wählerschaft und auf die daraus resultierenden Wahlentscheidungen ist. Er lässt die einschlägigen Wahlstudien in der Soziologie, der Politikwissenschaft und der Kommunikationswissenschaft in beeindruckender Weise noch einmal Revue passieren, um relevante Ergebnisse und methodische Orientierungen festzuhalten und Defizite zu identifizieren. Herr Wolf kommt zu dem Schluss, dass die Massenmedien in erster Linie Einfluss auf die kurzfristigen Faktoren wie „Themenorientierung“ und „Kandidatenorientierung“ nehmen, aber unter Umständen auch Wirkungen auf langfristige Faktoren wie „Parteiidentifikation, Ideologie bzw. Wertorientierung und Persönlichkeit“ haben können. Die Jury würdigt, dass Herr Wolf es verstanden hat, ein umfassendes und stringentes Bild des disparaten Forschungsstands zur Wirkung der Medien auf das Wahlverhalten zu zeichnen. Hierbei stellt Herr Wolf einen souveränen Umgang mit theoretischen Konzepten ebenso unter Beweis wie die Fähigkeit, die vorliegenden Befunde eigenständig und kritisch auf ihre Aussagekraft und ihren Beitrag zur Klärung der konkreten Fragestellung hin zu prüfen.
2005/06
an Vera Zischke: "Meine fremden Freunde - Chancen und Grenzen sozialer Beziehungen im Netz am Beispiel eines Online Selbsthilfeforums"
In ihrer Arbeit greift Frau Zischke die höchst kontroverse sozialwissenschaftliche Debatte auf, welche Art sozialer Kommunikation und sozialer Beziehungen das Internet mit sich bringt. Die Positionen reichen dabei von enthusiastischen Erwartungen über die schöne neue Welt der Netzkommunikation bis hin zu pessimistischen Visionen sozial vereinsamter Internetnutzer, die hinter dem Schleier der Anonymität ihre pathologischen Phantasien austoben. Frau Zischke untersucht nun in ihrer Arbeit, ob, unter welchen Bedingungen und in welchem Ausmaß unter Internet-Nutzerinnen und Nutzern mehr als nur lose, zweckgerichtete Bekanntschaften entstehen. Zu diesem Zweck hat sie eine Umfrage unter den Nutzerinnen und Nutzern eines Online- Selbsthilfeforums sehr klug ausgearbeitet und mit unerwartet großem Erfolg durchgeführt. Wichtigste Erkenntnis ihrer Studie ist, dass sich in dem untersuchten Online-Forum zwar ein beträchtliches Maß an nicht-instrumenteller sozialer Aktivität und wechselseitiger Sympathie zwischen den Mitgliedern findet, dass aber der Grad an emotionaler Verbundenheit bei reinen Online-Beziehungen begrenzt bleibt. Sie können die klassische Freundschaft nicht ersetzen, die ohne realweltliche Begegnungen nicht möglich ist.