AnaGramm - Analytische Soziologie als Grammatik der Sozialwissenschaften
Mit der Analytischen Soziologie hat sich in den letzten Jahren ein Forschungsprogramm etabliert, welches darauf abzielt, die soziale Welt in einer verstehenden Weise zu erklären. Bei der Erklärung von Makrophänomenen, wie etwa Netzwerkstrukturen, der Verbreitung sozialer Praktiken oder Einstellungsmustern, reicht es der Analytischen Soziologie nicht aus, diese lediglich mit anderen Makrophänomenen in Zusammenhang zu stellen. Ihr Anspruch besteht vielmehr darin, in detaillierter und präziser Weise die sozialen Mechanismen zu benennen, durch die diese Phänomene ursächlich hervorgebracht werden.
Während das Forschungsprogramm der Analytischen Soziologie über eine umfassende theoretische Fundierung verfügt, sind mechanismenbasierte Erklärungsansätze in der Forschungspraxis noch nicht weit vorangeschritten. Bisher wurde nur vereinzelt und in wenigen Teilbereichen der Sozialwissenschaften sowie mit meist eingeschränkten statistischen Mitteln das Programm der Analytischen Soziologie umgesetzt.
An diesem Forschungsdesiderat setzt das Projekt AnaGramm an. Mit AnaGramm sollen Forschungsfragen aus den Bereichen der theoretischen Soziologie, der Mediensoziologie und der Einstellungsforschung systematisch aus der Perspektive der Analytischen Soziologie untersucht werden. Ein besonderer Fokus liegt darauf, den mechanismenbasierten Erklärungsansatz mit fortgeschrittenen quantitativ-empirischen Methoden zu verknüpfen.
Projektlaufzeit: 01.11.2013-30.09.2015, gefördert aus dem strategischen Forschungsfonds (SFF) der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Mitarbeiter
Projektleiter: Dr. Ulf Tranow; Dr. Tilo Beckers
Projektbearbeiter: Dr. Dominik Becker
Ziele des Projekts
In der zweijährigen Projektphase von AnaGramm werden zwei wesentliche wissenschaftliche Ziele verfolgt:
Erstens soll der Anwendungsbereich des mechanismenbasierten Erklärungsansatzes erweitert werden. Bis auf einzelne Ausnahmen, wie etwa die Bildungssoziologie, sind viele Teilbereiche der Soziologie bis jetzt kaum systematisch aus analytischer und mechanismenbasierter Perspektive erforscht worden. Mit AnaGramm wird das Forschungsprogramm der Analytischen Soziologie für spezifische Fragestellungen aus Teilbereichen der theoretischen Soziologie, der Mediensoziologie und der Einstellungsforschung nutzbar gemacht. In diesen drei Teilbereichen wird zwar von Zeit zu Zeit auf bestimmte Mechanismen verwiesen, doch eine systematische Anwendung des Forschungsprogramms steht bislang noch aus.
Zweitens soll das Spektrum der angewandten empirischen Methoden im Rahmen
mechanismenbasierter Erklärungen erweitert werden. Bei der empirischen Umsetzung des Forschungsprogramms dominieren derzeit Computersimulationen nach dem Verfahren der agentenbasierten Modellierung. Im Rahmen von AnaGramm werden theoretische Erklärungsmodelle der analytischen Soziologie in quantitativ-empirische Forschungsdesigns übersetzt, was bisher ebenfalls kaum geleistet wurde.
Die Projektphase gliedert sich in folgende drei Module:
- Theoriemodul: Konstruktion von Brückenannahmen
- Empiriemodul 1: Dissonanzreduktion im sozialen, kulturellen und medialen Wandel
- Empiriemodul 2: Moderatoreffekte, Mediationsmodelle und der Mechanismus der Schweigespirale
Theoriemodul: Konstruktion von Brückenannahmen
Das erste Arbeitspaket ist theoretisch ausgerichtet und wendet sich aus der Perspektive der Analytischen Soziologie dem Problem der Konstruktion von Brückenannahmen zu. Brückenannahmen beschreiben, wie Situationsbedingungen relevante Determinanten des Handelns beeinflussen. Die Konstruktion von Brückenannahmen ist unabdingbar für Makro-Mikro-Makro-Erklärungen. In der Terminologie der Analytischen Soziologie werden Brückenannahmen „situationelle Mechanismen“ genannt. Dieser Themenkomplex wird unter zwei Gesichtspunkten bearbeitet: Erstens wird vor dem Hintergrund der Kontroverse über die adäquate Strategie zur Konstruktion von Brückenhypothesen geprüft, welche Methodologie zur Konstruktion von Brückenannahmen sich aus der Analytischen Soziologie ableitet und ob sie zwischen den konkurrierenden Positionen vermitteln kann. Zweitens werden theoretische und empirische Befunde zum Thema mit dem Ziel aufgearbeitet, situationelle Mechanismen abzuleiten, die in der weiteren Forschung empirisch geprüft werden können.
Empiriemodul 1: Dissonanzreduktion im sozialen, kulturellen und medialen Wandel
Beim Streben nach der Vermeidung von Dissonanz handelt es sich um einen wichtigen sozialen Mechanismus. Im zweiten Arbeitspaket soll die Theorie der kognitiven Dissonanz auf die Nutzung von Qualitätszeitungen der Tagespresse angewendet werden. Diese Theorie wurde in der Vergangenheit bereits angewendet, um die Nutzung von Tageszeitungen in Abhängigkeit der Parteipräferenz zu erklären. In diesem Arbeitspaket soll es nun darum gehen, inwiefern die Grundtendenz zur konsonanten Nutzung von täglich erscheinenden Qualitätszeitungen über den Zeitverlauf hinweg konstant geblieben ist oder sich im Zuge sozialen, medialen und kulturellen Wandels geändert hat.
Empiriemodul 2: Moderatoreffekte, Mediationsmodelle und der Mechanismus der Schweigespirale
Das zweite Empiriemodul soll auf Basis komparativer Surveydaten zu individuellen Werten und Einstellungen den Mechanismus der Schweigespirale untersuchen. Dabei soll das vorherrschende Meinungsklima als Gelegenheitsstruktur gefasst werden, die über Personenhintergrundmerkmale hinaus individuelle Werte und Einstellungen beeinflusst.
Tagungen
Call for Papers: Workshop „Soziale Mechanismen – theoretische Herausforderungen der Modellbildung in den Sozialwissenschaften“
Formalia
Der Workshop findet vom 25.-26.04.2014 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf statt (Tagungsort: Haus der Universität).
Abstracts von 300-500 Wörtern sind bis zum 16.02.2014 an folgende Adresse zu senden: .
Eine Rückmeldung über angenommene Beiträge erfolgt spätestens zum 21.02.2014.
Als Grundlage einer erfolgreichen gemeinsamen Diskussion bitten wir darum, kürzere schriftliche Ausarbeitungen (Short Paper bzw. Research Note im Umfang von 6-10 Seiten) bis zum 20.04.2014 ebenfalls an zu senden.
Zur Deckung der während des Workshops anfallenden Verpflegungskosten wird eine moderate Teilnahmegebühr von voraussichtlich 15€ erhoben.
Programmorganisation
Dr. Ulf Tranow, Dr. Dominik Becker, Dr. Tilo Beckers
(Heinrich-Heine-Universität-Düsseldorf, Institut für Sozialwissenschaften, Abteilung Soziologie)
Kontakt
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Dr. Dominik Becker: