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Fern-Sehen im Alltag

Das Fernsehen ist ein "häusliches" Medium. Es bringt die Welt ins Haus - die Welt der Großen in Politik und Show ebenso wie die Welt der Geschichten und Erzählungen. Der Gebrauch des Mediums - zur Orientierung und zum Vergnügen - ist fest im Alltag verankert. Und das gilt nicht nur für die zeitliche Organisation des Tagesablaufs. Es gibt auch ein "inneres Band" zwischen dem Geschehen auf dem Bildschirm und dem Alltagserleben. Denn lebensweltliche Orientierungen prägen, wie Menschen fernsehen - wann, was, mit welchen Erlebnissen und mit welchen "Wirkungen". Aber wie sind diese Orientierungen beschaffen? Und was trägt das Fern-Sehen umgekehrt zu ihnen bei? Darauf findet die Kommunikationswissenschaft bisher kaum zufrieden stellende Antworten. Die vorliegende Studie entwickelt eine Rahmenkonzeption, die helfen soll, diese theoretische Lücke zu schließen.

In einem ersten Schritt wird ein System alltagspraktischer Orientierungen erarbeitet, die als "generative Prinzipien" das Handeln in den verschiedenen Sphären des Alltags - Beruf, öffentliches Leben, Privatleben - organisieren. Diese Struktur des Alltagsbewusstseins treibt Dimensionen sozialer Identität hervor, die die individuelle Suche nach Selbstvergewisserung und Selbstbehauptung inhaltlich prägen. Um zu ermessen, was das Medienerleben im Alltag bedeuten kann, wird in einem weiteren Schritt systematisch differenziert, wie Rezipienten sich bei verschiedenen Formen des Fern-Sehens den vom Medium vermittelten Inhalt und ihre Affektion beim Medienerleben vergegenwärtigen.

Die Theorie über den "praktischen Sinn" des Fern-Sehens im Alltag verbindet Ansätze aus der Theorie des kommunikativen Handelns von Habermas, der Kultursoziologie und der Theorie der Praxis von Bourdieu, der Psychologie Hegels und der Theorie des Alltagslebens von Heller.
Die Diskussion einer Vielzahl von Thesen und Befunden aus der Kommunikationswissenschaft und aus den Cultural Studies, die auf der Grundlage der erarbeiteten Konzeption neu eingeordnet und interpretiert werden, führt aus, was das Fern-Sehen bedeuten kann: für den "praktischen Sinn" bei der Alltagsbewältigung und für den Eigensinn der Selbstbehauptung sozialer Identität.

 

Publikationen:

Weiß R. (2020) The Praxeology of Media Use. In: Krämer B., Frey F. (eds) How We Use the Media. Transforming Communications – Studies in Cross-Media Research. Palgrave Macmillan, Cham. DOI

Weiß, R. (2014). Alltag und Routinen. In: Wünsch, C., Schramm, H., Gehrau, V., & Bilandzic, H. (Hrsg.) Handbuch Rezeptions- und Wirkungsforschung. Baden-Baden: Nomos, S. 99-112.

Weiß, Ralph (2010): „Typisch!“ – Mediennutzung im Alltag. Die Mediennutzertypologie als Instrument der Gesellschaftsdiagnose. In: Oehmichen, Ekkehardt/Ridder, Christa-Maria (Hrsg.): Die MedienNutzerTypologie 2.0. Baden-Baden, S. 57-73.

Weiß, Ralph (2009): Pierre Bourdieu – Habitus und Alltagshandeln. In: Hepp, Andreas/Krotz, Friedrich/Thomas, Tanja (Hrsg.): Schlüsselwerke der Cultural Studies. Wiesbaden, S. 31-46.

Weiß, Ralph (2007): Der Alltagssinn des Fern-Sehvergnügens. In: Dietz, Simone/Skrandies, Timo (Hrsg.): Mediale Markierungen. Studien zur Anatomie medienkultureller Praktiken. Bielefeld: Transcript, S. 131-153.

Weiß, R. (2001): Fern-Sehen im Alltag. Zur Sozialpsychologie der Medienrezeption. Opladen, Wiesbaden.

Weiß, R. (2001): Der praktische Sinn des Mediengebrauchs im Alltag. In: U. Maier-Rabler, M. Latzer (Hrsg.), Kommunikationskulturen zwischen Kontinuität und Wandel. Wien, S. 347-369.

Weiß, Ralph (2000): ”Praktischer Sinn”, soziale Identität und Fern-Sehen. Ein Konzept für die Analyse der Einbettung kulturellen Handelns in die Alltagswelt. In: Medien und Kommunikationswissenschaft, 48. Jg., H. 1, S. 42-62.

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