Nationale Konstruktionen Europäischer Identität
Das DFG-Projekt „Nationale Konstruktionen Europäischer Identität“ fokussiert auf die Konstruktionen europäischer Identität in den nationalen Öffentlichkeiten ausgewählter EU-Staaten. Identität wird dabei als soziale Konstruktion verstanden, die in nationalen Kommunikationszusammenhängen diskursiv ausgehandelt und von den Kommunikationsteilnehmern ständig aktualisiert und verändert wird. Die Untersuchung konzentriert sich auf den Diskurs in den nationalen Medienöffentlichkeiten, in denen Kommunikationshandlungen eine besondere Reichweite und Aufmerksamkeit erhalten.
Das Projekt wird geleitet von der zentralen Frage, inwiefern die in den Mediendiskursen artikulierten Identitätsbekenntnisse zur EU inhaltlich begründet werden. Wir gehen davon aus, dass in verschiedenen EU-Ländern eine europäische Identität jeweils inhaltlich unterschiedlich akzentualisiert wird. Variierende Vorstellungen von der Idee Europas münden dabei in je unterschiedlichen Handlungserwartungen an die EU und nationale Regierungen. In welchem Maße hier Übereinstimmungen oder Deutungsdifferenzen zwischen den Ländern existieren, ist eine empirische Frage, die im Projekt maßgeblich behandelt werden soll.
Untersucht werden europäische Identitätsbekenntnisse in sieben Ländern. Für die Analyse konzentrieren wir uns auf Nationen die im unterschiedlichen Ausmaß in die EU integriert sind, wobei wir nach Staaten unterscheiden, die a.) der Eurozone angehören, b.) Mitglieder des Schengener Abkommens sind, ohne sich an der gemeinsamen Währung zu beteiligen und c.) als EU-Mitglieder nicht zusätzlich über den Euro oder das Schengen-Abkommen mit den übrigen Staaten verbunden sind. Für den ersten Zirkel haben wir Deutschland, Frankreich und Italien ausgewählt, für den zweiten Polen und Lettland und für den dritten, am schwächsten integrierten Kreis Rumänien und Großbritannien. Auf diese Weise ist als zweite Vergleichsebene für jeden Integrationszirkel in Hinblick auf die regelmäßig durchgeführten Umfragen des Eurobarometers jeweils sowohl ein traditionell eher europaskeptisches als auch ein die Integration befürwortendes Land einbezogen.
Die Untersuchungszeiträume orientieren sich an kommunikativen Konfliktereignissen im Prozess europäischer Integration, die Anlässe für die Selbstverständigung der Mitgliedsstaaten über die eigene Identität darstellen. Hierbei werden Ereignisse jüngeren Datums berücksichtigt, die als Erfolg bzw. als Krise der EU zu werten sind Ausgewählt sind 1. die Osterweiterung am 1. Mai 2004, 2. das Scheitern der Referenden zum europäischen Verfassungsvertrag in Frankreich am 29. Mai 2005 und den Niederlanden am 1. Juni 2005, 3. der EU-Beitritt von Rumänien und Bulgarien 2007, 4. die vollzogene Erweiterung des Schengener Abkommens am 21. Dezember 2007 und 5. das Scheitern des irischen Referendums zum Vertrag von Lissabon am 12. Juni 2008.
Das Projekt baut auf Forschungsaktivitäten zur Entstehung europäischer Öffentlichkeit und Arbeiten zur europäischen Identität auf und führt diese zwei bislang wenig verbundenen Forschungsstränge zur europäischen Integration zusammen. Die jeweilige Rahmung der Identitätsbekenntnisse erheben wir mittels einer quantitativen Inhaltsanalyse, die methodisch auf dem Framing-Ansatz aufbaut. Damit erfassen wir die europäische Identität nicht über Umfragen zur Identifikation mit der EU, sondern über die Untersuchung der Identitätskonstruktionen im öffentlichen Diskurs.
Das Projekt „Nationale Konstruktionen Europäischer Identität“ hat im Juni 2009 begonnen und wird nach derzeitiger Planung im Juni 2012 abgeschlossen sein.